... stark für Menschen

„Es wird immer wichtiger, sich zu erinnern“

Inklusive Lotsen-Tandems führten Gäste erstmals zu Stationen des künftigen „Maria-Zeitler-Pfades“, hier etwa am historischen „Haus im Tal“.
Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh erinnerte an die Verantwortung jedes einzelnen, sich für ausgegrenzte Menschen einzusetzen.

Mosbach. Lasst ab vom Bösen, lernt Gutes zu tun – die Botschaft des Buß- und Bettages stand wegweisend über einer besonderen Gedenkveranstaltung in der Johannes-Diakonie. Bei einem Gottesdienst in der Johanneskirche erinnerte Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh in einer eindrucksvollen Predigt an 263 Menschen aus der damaligen Erziehungs- und Pflegeanstalt Mosbach und an die vielen tausend anderen, die während des Nationalsozialismus entrechtet und getötet wurden. Alleine bei der sogenannten T4-Aktion waren vor 80 Jahren rund 70000 Menschen mit Behinderung ermordet worden. Nach dem Gedenkgottesdienst wurde der zentrale Platz vor der Hauptverwaltung der Johannes-Diakonie bei einer Feier neu benannt und erinnert nun als „Maria-Zeitler-Platz“ an ein bekanntes NS-„Euthanasie“-Opfer aus Mosbach. Und schließlich wurde erstmals der „Maria-Zeitler-Pfad“ begangen, auf dem in Zukunft Menschen mit und ohne Behinderung als Geschichtslotsen über die NS-„Euthanasie“ und ihre Folgen für die Johannes-Diakonie berichten.

In einem Corona-bedingt kurz gehaltenen Gottesdienst erinnerten Cornelius-Bundschuh, Pfarrer Richard Lallathin und Pfarrerin Wiltrud Schröder-Ender an die Opfer der NS-„Euthanasie“ und an die Verantwortung jedes einzelnen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, „wenn wieder sortiert wird in die, die dazu gehören, und die anderen“, wie der Landesbischof formulierte. Das gelte damals wie heute, zum Schutz von Menschen mit Behinderung wie auch von Flüchtlingen oder andere Gruppen. Dafür brauche es Mut und Rückgrat. Beides könne aus dem Glauben erwachsen, dass jeder Mensch Gott am Herzen liege. Musikalisch untermalten Mitglieder des Singkreises der Johannes-Diakonie unter Leitung von Peter Bechtold den Gottesdienst.

Wie die Johannes-Diakonie die Verantwortung für damaliges und gegenwärtiges Geschehen wahrnimmt und Erinnerungskultur pflegt, wurde bei der anschließenden Feier auf dem neu benannten Maria-Zeitler-Platz deutlich. Der zentral gelegene Ort wird im kommenden Jahr neu gestaltet. Bäume und Sitzgelegenheiten sollen den Platz zu einem Treffpunkt und Veranstaltungsort machen; ein Kunstobjekt soll an die Opfer der NS-„Euthanasie“ erinnern. Denn: Auch nach 80 Jahren sei die Ideologie, die zu den NS-Verbrechen geführt habe, nicht tot, betonte der Vorstandsvorsitzende der Johannes-Diakonie, Martin Adel. „Deswegen wird es immer wichtiger, sich zu erinnern“. Der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Dr. Achim Brötel, würdigte alle Menschen, die die Erinnerung an das Geschehene wachhalten. Vor allem galt seine Anerkennung dem Historiker Dr. Hans-Werner Scheuing und Schülerinnen des Nikolaus-Kistner-Gymnasiums, die 2011 die Geschichte von Maria Zeitler erforscht und damit auch die Verlegung eines Stolpersteins für Maria Zeitler angeregt hatten. Mit dem „Maria-Zeitler-Platz“ habe die Johannes-Diakonie nun einen „Meilenstein der Erinnerungskultur“ gesetzt. In einer bewegenden Ansprache drückte der Neffe von Maria Zeitler, Professor Dr. Dr. Norbert Gross, seinen Dank aus. Der Platz ersetze der Familie eine Grabstätte, die seine Tante nach ihrem gewaltsamen Tod nicht bekommen hatte. Der besondere Dank von Johannes-Diakonie-Vorstand Jörg Huber galt den ehrenamtlichen Lotsen, die künftig Besucher auf dem „Maria-Zeitler-Pfad“ begleiten werden.

Der geschichtliche Lernpfad führt auf einem Rundkurs über das Gelände der Johannes-Diakonie. An mehreren Stationen informieren Tafeln mit kurzen Texten und Bildern über die Verfolgung von Menschen mit Behinderung im Dritten Reich. In inklusiven Tandems von je einem Menschen mit und ohne Behinderung begleiten Lotsen die Besucher und vermitteln Wissenswertes, auch zu den Einzelschicksalen von Opfern aus der damaligen Mosbacher Anstalt. Für diese Aufgabe wurden die Lotsen eigens geschult. Zur Eröffnung des Maria-Zeitler-Pfades erhielten sie eigene Lotsen-Zertifikate und führten anschließend die Gäste der Feier in kleinen Gruppen zu einzelnen Stationen des Lernpfades, der ab sofort einen weiteren Baustein der Erinnerungskultur für Mosbach und Umgebung bildet.

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