... stark für Menschen

Erzählen als Herausforderung

Mosbach. Geht der Wert des Geschichtenerzählens verloren? Nehmen wir uns noch genügend Zeit zum Zuhören? Es sind Fragen wie diese, die eingangs der 17. Fachtagung der Fachschule für Sozialwesen der Johannes-Diakonie gestellt wurden. „Erzähl mir (d)eine Geschichte“, so lautete der Titel der Veranstaltung, die rund 200 Teilnehmer in die Mosbacher Johanneskirche führte. Namhafte Referenten stellten die Bedeutung von Geschichten und der Lebensgeschichte heraus, ermunterten, mit Freude und Lust Geschichten zu erzählen und ihnen zuzuhören. Außerdem widmete sich die Veranstaltung in Vorträgen und Workshops den Herausforderungen und Chancen, die sich in der Begleitung von Menschen mit Unterstützungsbedarf beim Erzählen, Zuhören und Verstehen ergeben können.

Das Thema der Fachtagung sei ihm ein „Herzensthema“, verdeutlichte der Programmverantwortliche und Fachschul-Dozent Stephan Friebe bei seiner Einführung. „Es ist schön zu sehen, dass es auf so große Resonanz stößt“, freute er sich. Jörg Huber, Pädagogischer Vorstand der Johannes-Diakonie Mosbach, attestierte denn auch den Verantwortlichen um Schulleiterin Birgit Thoma, einmal mehr „den Nerv der Zeit“ mit einem nicht alltäglichen Thema getroffen zu haben. Die Tradition des Geschichtenerzählens habe schließlich eine besondere Bedeutung: „Wer es schafft, sein Gegenüber ganz zu erreichen, in der Seele anzusprechen, in ihm Bilder, Farben und Erkenntnisse auslöst, der trägt einen ganz entscheidenden Teil zur seelischen, moralischen, kognitiven und emotionalen Entwicklung seiner Zuhörer bei“, so Huber.

Einer, der seine Zuhörer und Leser seit vielen Jahren immer erreicht und in der Seele anspricht, ist der Schriftsteller Peter Härtling. Auch ihn habe das Thema der Fachtagung gereizt, so dass er gerne zum Eröffnungsreferat mit einigen Passagen aus seinen Büchern nach Mosbach gekommen sei. Der 80-Jährige ist ein vielfach preisgekrönter Autor für alle Generationen, dem es wichtig ist, dass sein Publikum durch seine Geschichten erlebt und erfährt. „Wer anfängt zu erzählen sollte sich immer fragen: Wem erzähle ich etwas“, riet er den Fachtagungsbesuchern.

„Leben, das erzählt wird, ist doppelt gelebtes Leben“, so der Sonder- und Heilpädagoge Dr. Dieter Fischer. Er machte deutlich, dass zum Erzählen auch das Zuhören, Verschweigen und Verstehen gehört. „Mit Hilfe des Erzählens aus seinem Leben baut man an seiner Lebensgeschichte“, sagte Fischer weiter. Lebensgeschichte als Zugang zum Menschen hatte auch Prof. Dr. Christian Lindmeier von der Universität Koblenz-Landau zum Thema. Er verdeutlichte am Beispiel des Südtiroler Dichters Georg Paulmichl die Unterschiede zwischen lebenslaufbezogenen und subjektiven, lebensgeschichtlichen Erzählungen und erläuterte das Modell „Lebensbuch“.

Literatur von Menschen mit Handicaps stellte die Literaturwissenschaftlerin Daniela Chmelik vor. Sie führt auch Schreibwerkstätten durch, in denen Menschen mit Unterstützungsbedarf Literatur produzieren. Chmelik stellte darüber hinaus den Tagungsteilnehmern neben Büchern von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen auch die Erfolgsgeschichte des „Ohrenkuss“ vor, einem Magazin von Menschen mit Down-Syndrom. Begleitet wurde sie von einem „Ohrenkuss“-Autoren, dem Buchener Achim Reinhardt. Er trug einige seiner Texte dem Publikum vor ­– „von Hand geschrieben!“

„Lesen Einmal Anders“ ist das Credo des „LEA Leseklub“, das die Diplom-Sozialarbeiterin Julia Fischer Suhr vorstellte. Das Projekt des Vereins KuBus hat gemeinsames Lesen und Erzählen als Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe entdeckt. Lesebegeisterte Erwachsene mit und ohne Behinderung kommen dabei regelmäßig an einem öffentlichen Ort zusammen und lesen gemeinsam ein Buch. „Das Erzählen von Geschichten ist etwas zutiefst Menschliches: Wir bilden unsere Identität aus den Geschichten, die wir über uns erzählen“, sagt ihrerseits Sabine Lutkat. Die Erziehungswissenschaftlerin beleuchtete in diesem Zusammenhang konkret die Bedeutung von traditionell überlieferten Geschichten oder Volksmärchen. „Volksmärchen erzählen von gelingendem Leben, der Überwindung des Bösen und von Glück – auf diese Weise können sie Mut machen“, sagte die freiberufliche Märchenerzählerin und Präsidiumsmitglied der Europäischen Märchengesellschaft.

Prof. Dr. Barbara Fornefeld von der Universität zu Köln stellte die kulturellen und sozialen Aspekte des Erzählens in den Mittelpunkt. „Menschen mit Unterstützungsbedarf fordern selten zum Erzählen einer Geschichte auf. Je schwerer ein Mensch beeinträchtigt sei, desto weniger traut man ihm zu, dass er Geschichten versteht“, so die Professorin für Pädagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung. „Doch das ist falsch!“, macht sie deutlich. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen könnten sehr wohl Geschichten verstehen, wenn sie sinnlich erfahrbar gemacht würden -  beispielsweise über Sprache, Tonführung, Musik, Requisiten oder Düfte. Dazu wurden an der Kölner Uni die sogenannten „mehr-Sinn-Geschichten“ entwickelt.

Die Referate und Präsentationen (wird nach und nach ergänzt):

Prof. Dr. Barbara Fornefeld:
Grundlagen ---- mehr-Sinn-Gerschichten

Daniela Chmelik:
Referat

Dr. Dieter Fischer:
Präsentation

Julia Fischer-Suhr:
Präsentation

Prof. Dr. Christian Lindmeier:
Präsentation

Sabine Lutkat:
Referat

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