... stark für Menschen

Schule und Arbeit: belastend oder hilfreich?

Psychische Erkrankungen können die schulische Ausbildung sehr verzögern. Foto: Unsplash

Mosbach. Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu und damit das Risiko psychischer Erkrankungen. Es gab also Grund genug, die diesjährige Woche der Seelischen Gesundheit unter das Thema „Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“ zu stellen. Doch nicht nur Berufstätige, auch junge Menschen haben früh mit psychischen Belastungen zu kämpfen, weshalb das gemeindepsychiatrische Netzwerk im Neckar-Odenwald-Kreis das Thema um die Aspekte Schule und Ausbildung erweiterte. Als Fachleute standen Dr. Lukas Alexa (Zentrum für Psychische Gesundheit Neckar-Odenwald), Dr. Martina Kirsch (Evangelische Stadtmission Heidelberg/Suchtberatung Neckar-Odenwald-Kreis), Susann Oltmanns-Heller (Diakonisches Werk des Neckar-Odenwald-Kreises), Dr. Karsten Rudolf (Diakonie-Klinik Mosbach der Johannes-Diakonie) und Felicitas Tumfart (AWO Neckar-Odenwald) dazu in einem Pressegespräch Rede und Antwort.

Der Blick auf das seelische Befinden junger Menschen ist immer noch von den Corona-Nachwirkungen geprägt, berichtet Dr. Karsten Rudolf, Ärztlicher Direktor der Diakonie-Klinik Mosbach. Trotz einer leichten Erholung sei ein deutlich höherer Anteil von Kindern und Jugendlichen – etwa 26 Prozent – von psychischen Erkrankungen betroffen als vor der Pandemie. Die Folgen seien in dieser Gruppe besonders gravierend, „denn dieses Alter ist voller Entwicklungsaufgaben. Eine Erkrankung wirkt da wie eine Pause-Taste“. Aus diesem Grund sei eine möglichst schnelle Behandlung wichtig, um betroffene Kinder und Jugendliche rasch wieder in die Schule zu bringen. Denn der Schulbesuch ist nicht nur entscheidend für den Ausbildungsabschluss, sondern gibt auch Struktur im Alltag.

Eine ähnliche Funktion erfüllt der Job. Im Idealfall ist er sinn- und strukturgebend zugleich. Doch kann er auch zur Belastung werden und am Anfang von Krankheitsgeschichten stehen, weiß Lukas Alexa, Ärztlicher Leiter des PZN Neckar-Odenwald. Man müsse hierbei aber unterscheiden „zwischen Menschen, die bereits eine psychische Beeinträchtigung haben und solchen, die bereits im Arbeitsprozess stehen und wegen bestimmter Faktoren erkranken“. Beruflicher Stress, Konflikte oder wachsende Anforderungen können in einem Burn-Out münden, aber auch in behandlungsbedürftiger Depression. Wichtig sei dann, rechtzeitig zu handeln. „Je früher man interveniert, desto höher sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.“ In anderer Hinsicht kann das Arbeitsumfeld heilsam wirken. Nicht wenige Klientinnen und Klienten von Martina Kirsch werden vom Arbeitgeber zur Leiterin der Suchtberatung Neckar-Odenwald-Kreis geschickt. „Wir haben eine offene Sprechstunde, zu der man ohne Termin für eine Erstberatung kommen kann“, erklärt Kirsch. Aus der Beratung könne eine ambulante Therapie werden, die etwa ein halbes Jahr dauert. Wichtig sei die anschließende Selbsthilfe, um Rückfällen vorzubeugen.

Auch Susann Oltmanns-Heller und der Sozialpsychiatrische Dienst der Diakonie sind oft die erste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen. „Häufig werden Klientinnen und Klienten über eine Klinik oder eine Betreuungsperson an uns verwiesen“, so Oltmanns-Heller. Nicht selten geht es zunächst einmal einfach ums Zuhören. Die anschließende Beratung ist sehr individuell. Die Leistungen reichen von der Hilfe bei Antragsstellungen, etwa in der Eingliederungshilfe, bis hin zur Vermittlung an andere zuständige Stellen oder der Verweis auf tagesstrukturierende Maßnahmen.

Werden Menschen durch eine psychische Erkrankung komplett aus der Bahn geworfen, stellt die AWO Neckar-Odenwald wichtige Hilfeangebote bereit, etwa ambulant betreutes Wohnen und tagesstrukturierende Maßnahmen. „Es geht oft um Menschen mit vielfältigen Problemen: Ausbildungsabschlüsse klappen nicht, der Stress des Berufsalltags kann nicht bewältigt werden“, berichtet Felicitas Tumfart, die zuständige Fachbereichsleiterin der AWO. Die Erkrankung bringe häufig einen Bruch für das Selbstbewusstsein, da sich Menschen in einer leistungsorientierten Gesellschaft stark durch Arbeit und Beruf selbst definierten. „Unsere Klientinnen und Klienten können durch gezielte Unterstützung eine andere Form der Lebensfreude finden“, betont Tumfart.

Einig war sich die Gesprächsrunde darin, dass präventive Maßnahmen gegen psychische Erkrankungen deutlich mehr ausgebaut werden müssten. Es gebe gute Programme auf lokaler und regionaler Ebene, meint dazu etwa Dr. Karsten Rudolf. Aber es fehle ein flächendeckender Ansatz: „Ich könnte mir zum Beispiel Gesundheit als Schulfach sehr gut vorstellen.“ Betriebliches Gesundheitswesen, Schulungen, aber auch eine generelle Sensibilisierung für das Thema psychische Erkrankungen seien nötig, da war sich die Runde einig. Und in dem Verständnis, dass Prävention eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft ist.

Mehr Informationen
Wichtige Anlaufstellen im Falle von psychischen Erkrankungen sind auf der Website www.gesundheit-nok.de verzeichnet.

Zurück